©iStock/Thaninee
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Das Regelwerk beim Golf ist alles andere als einfach. Wer sich damit beschäftigt, langweilt sich spätestens nach dem dritten ausgefüllten Regelfragebogen. Der Lerneffekt bei solchen Fragebögen liegt gemeinhin bei null, konstatiert Golflehrer Jannis-Niccolo Pohlenz. Statt auf Abklappern der einzelnen Regelfragen und stupides Ankreuzen setzt er in seinen eigens entwickelten Fällen auf Golfer, die vielleicht auch mal um die Ecke denken wollen. MEINE VITALITÄT präsentiert Pohlenz‘ ersten Fall: Trouble auf dem Grün.

Der Golflehrer Gregor Knilch und sein Kollege Ernesto machen sich einen Lenz haben das vorherige Loch mit einem Birdie beendet, liegen damit drei unter beziehungsweise acht über Par für das Turnier und machen sich mehr oder weniger frohen Mutes auf den Weg zum nächsten Abschlag. Dort angekommen fällt Gregor ein, dass er noch die Toilette benutzen wollte und macht sich sogleich auf den Weg zum hierfür errichteten Häuschen. Ernesto ist genervt. Er weiß zwar, dass Gregor von Loch 7 noch die Restehre hat, sieht sich jedoch in seinem Spielfluss beeinträchtigt und schlägt einfach mit seinem Eisen 3 ab. Gregor, der gerade wieder zum Tee kommt, ist das egal, soll sich Ernesto ruhig einen Vorteil zu verschaffen versuchen, mit seiner Platzierung hat er sowieso nichts mehr zu tun.

Ernestos Ball, wie immer gerade noch so mit der Schlagfläche erwischt, landet nach einem starken Cut eher rechts, genau an der Grünkante und kommt dort zur Ruhe. Gregor schlägt ohne großen Aufriss mit einem Eisen 8 seinen Ball ungefähr 25 Zentimeter neben die Fahne.

Ernesto versucht, sich nichts anmerken zu lassen, muss jedoch auf dem Weg zum Grün mit aller Kraft in seinen Putter beißen, den er bereits aus der Tasche genommen hat, um nicht schreien zu müssen. Hierbei entsteht auf der Schlagfläche seines fünfzehn Jahre alten Scotties eine Kerbe in Form seiner linken, oberen Backenzahnreihe.

Am Grün angekommen, stellt Ernesto fest, dass sein Ball über die Kante des Vorgrüns hinausragt, das Grün selbst zwar nicht berührt, jedoch beim ersten Aufprall sich so viel Schmutz an die Außenschale geheftet hat, dass dieser nun die Oberfläche des Grüns touchiert. Ernesto beschließt, dass der Ball damit wohl als auf dem Grün befindlich anzusehen ist. Er markiert ihn mit seinem Autoschlüssel, hebt ihn auf und reinigt ihn zunächst gründlich. Hierbei stellt er fest, dass sein schlechter Ballkontakt die Balloberfläche doch sehr mitgenommen hat. Sogleich tauscht er ihn, ohne Gregor davon in Kenntnis zu setzen, gegen einen neuen Ball aus. Diesen legt er nun an die Stelle zurück und steckt seinen Schlüssel wieder ein. Er entscheidet sich, den Ball nun doch als Chip zu spielen. Er nimmt sein Wedge aus der Tasche, macht einige Probeschwünge und bezieht seine Standposition. Kurz bevor er seinen Schläger aufsetzt, fällt der Ball von der Vorgrünkante auf’s Grün.

Mit bebender Pulsader hebt er ihn auf, droppt ihn so nahe wie möglich der ursprünglichen Stelle und spielt sogleich seinen Schlag. Er ist danach immer noch an der Reihe. Gregor ist inzwischen auf seinem Putter lehnend völlig in Gedanken an seine 16 Unterrichtseinheiten am darauf folgenden Tag versunken. Wiederum markiert Ernesto seinen Ball, diesmal legt er den Schlüssel jedoch nicht direkt hinter den Ball, sondern auf die linke Seite. Nun bemerkt er, dass ein heftiger Windstoß eine Schubkarrenladung Laub auf seine Puttlinie geweht hat.

Er beginnt, gebückt auf seiner Puttlinie gehend, diese Blatt für Blatt zu entfernen. Ein Schnaufen lässt ihn sich umdrehen und der Blick seines Mitspielers sein Blut gefrieren. Sogleich beeilt er sich und fegt seine Puttlinie mit der Handfläche frei, wobei er die Grashalme ein wenig aufrichtet. In der Hektik wird er ein wenig unaufmerksam und fegt seinen Schlüssel gleich mit weg. Peinlich berührt, legt er ihn genau an die Stelle zurück, an der dieser zuvor gelegen hatte.

Nachdem er einige Probebewegungen ausgeführt hat, bemerkt er, dass er beim Laufen auf der Puttlinie auf eine sich dort befindliche Eichel getreten war. Diese liegt nun, noch nicht eingebettet, aber doch im Grün steckend, direkt auf der Puttlinie liegt. Er entfernt sie, bessert das entstandene Loch aus und macht seinen Schlag. Dieser fällt auf Grund der sich angestauten Aggressionen so stark aus, dass der Ball ungewöhnlich viel Fahrt aufnimmt und in der durch die feuchten Witterungsbedingungen stark aufgeweichten Lochkante oberhalb derselben stecken bleibt. Ernesto und vor allem Gregor, der seinen Ball nun auch endlich zum Birdie einlochen will, einigen sich darauf, den Ball als eingelocht anzusehen. Ernesto nimmt ihn also aus der Lochkante heraus und begibt sich in Richtung des zehnten Abschlags. Gregor spielt sein Birdie und schließt sich ihm an. Auf dem Weg versucht er, die Schlagzahl seines Mitspielers zu rekapitulieren und gerät dabei arg ins Schlingern.

Aufgabe:  Ermitteln Sie die Schlagzahl von Ernesto unter Berücksichtigung aller in Frage kommenden Strafschläge. Die Benutzung des Regelbuchs ist hierbei erwünscht.

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