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Tiefe Entspannung allein mit Hilfe der Vorstellungskraft: Darum ging es dem Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schultz, als er 1926 die „konzentrative Selbstentspannung“ erfand. Heute zählt Autogenes Training zu den Klassikern der Entspannungsverfahren.

Es klingt zunächst wie Hypnose: Beim Autogenen Training reagieren die Teilnehmer auf formelhafte Leitsätze wie „Ich bin ganz ruhig“ und „Es atmet mich“. Kein Wunder, denn die Grundlage für den Nervenarzt Johannes Heinrich Schultz (1884–1970) war seinerzeit die Hypnoseforschung. Das Wort „autogen“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „aus sich selbst heraus“ (auto = selbst; genesis = Entstehung).

Die positivste Wirkung des Autogenen Trainings ist nach Schultz die so genannte affektive Resonanzdämpfung. Störende Emotionen wie Angst, Unruhe oder Depressionen können danach entweder abgebaut oder sogar neutralisiert werden. Auf diese Weise nehmen äußere Faktoren einen geringeren Einfluss auf die Befindlichkeit, was wiederum zu einer größeren Stressresistenz führt.

Entspannung auf Knopfdruck

In der Methodik des Autogenen Trainings spielen Autosuggestion und das regelmäßige Üben eine wichtige Rolle. Die Grundstufe vereint sechs unterschiedliche Übungen zu einem zirka zehnminütigen Entspannungsprogramm: Schwere-, Wärme-, Atem-, Herz-, Bauchwärme- und Stirnkühlungsübung. Das Training geht im Stehen, Sitzen oder Liegen: „Ich bin ruhig, gelöst, entspannt“, sagen sich zum Beispiel die Teilnehmer im Geist vor – ohne abzuschweifen. Das geht anfangs am besten mit einem Lehrer in der Gruppe, auch um sich über die eigenen Erfahrungen auszutauschen. Am Ende gehts zurück ins Hier und Jetzt – durch das „Ausschütteln“ der Muskeln.

Anfänger brauchen für das Autogene Training mindestens zehn, Profis zwei Minuten. Wer die Übungen verinnerlicht hat, dem reichen Stichwörter wie „Ruhe“, „Schwere“ und „Wärme“. Ziel der Übungen ist es, mittels selbsthypnotischer Formeln ein Gleichgewicht zwischen Spannung und Entspannung herzustellen und so auf körperliche Prozesse Einfluss zu nehmen. Kurz: Entspannung auf Knopfdruck. Das braucht aber seine Zeit: Mindestens drei Monate sollte man regelmäßig üben, dies am besten täglich. Geeignet ist es daher eher für Geduldige und Disziplinierte, die einen rein mentalen, keinen körperlichen Ausgleich suchen. Autogenes Training ist im Prinzip aber so einfach, dass sogar Kinder ab acht Jahren die Technik erlernen können.

Hilfreich bei Stress, Schmerzen und Sucht

Es gibt zahlreiche Lebenssituationen, in denen Autogenes Training – oft als begleitende Therapie – seine Anwendung findet.

Stressabbau: Die Entspannungsübungen des Autogenen Trainings bauen nicht nur Stress ab, sondern lindern auch die daraus resultierenden Symptome, wie beispielsweise Neurodermitis oder Spannungskopfschmerz.

Schlafstörungen: Körperliche und seelische Belastungen können zu einem erhöhten Muskeltonus führen. Dieser verhindert, dass Tiefschlafphasen stattfinden können, in denen sich der Körper regeneriert. Der Betroffene hat Probleme ruhig einzuschlafen oder leidet unter Schlafstörungen. Autogenes Training setzt den Muskeltonus herab und kann so die Schlaffähigkeit verbessern.

Regenerationssteigerung: Durch regelmäßiges Autogenes Training wird der Körper in die Lage versetzt, sich schneller und effektiver zu regenerieren. Seine Erholungsfähigkeit wird verbessert. Schmerztherapie: Schmerzen werden anders oder nur reduziert wahrgenommen, wenn Autogenes Training in diesen Phasen eingesetzt wird. Das geschieht, weil durch die Übungen eine Verlagerung des Gedankenfokus stattfindet. Autogenes Training ist daher eine gängige Therapieform für chronische Schmerzpatienten.

Durchblutungsstörungen: Kalte Hände und Füße können der Vergangenheit angehören, wenn durch regelmäßige Wärmeübungen die Durchblutung des Körpers unterstützt wird.

Leistungssport: Sportlicher Erfolg hat nicht nur etwas mit gutem Training, sondern auch mit der Konzentrationsfähigkeit zu tun – im richtigen Moment die volle Leistung erbringen. Leistungssportler nutzen Autogenes Training, um sich gezielt mental auf einen Wettkampf vorzubereiten. Konzentrationsfähigkeit: Regelmäßiges Entspannungstraining kann die Konzentrationsfähigkeit verbessern. Dadurch wird die Aufnahmeleistung des Gehirns zusätzlich gesteigert, da die Aufmerksamkeit zielgerichteter ist.

Suchtkrankheiten: Autogenes Training kann auch ganz gezielt bei persönlichen Problemen eingesetzt werden und hilft zum Beispiel bei der Raucherentwöhnung oder im Alkoholentzug.

Asthma: Auch Asthmapatienten finden im Autogenem Training Hilfe. Ob es direkt die Funktion der Atmungsorgane verbessert oder nur indirekt über eine Steigerung des Wohlbefindens wirkt, konnte wissenschaftlich noch nicht geklärt werden.

Geburt: Die so genannte autogenen Entbindungserleichterung ist wesentlicher Bestandteil einer schmerzarmen Geburt.

Blutdruck: Sowohl bei Bluthochdruck – besonders wenn er stressbedingt ist – als auch bei zu niedrigem Blutdruck wirkt Autogenes Training regulierend, da es Herzschlag, Atmung, die Spannung der Körpermuskulatur und der Blutgefäße beeinflusst.

Angststörungen: Autogenes Training kann bei Angst, Panik oder Depressionen dem Betroffenen eine Kontrollmöglichkeit über seinen Körper zeigen und zusätzlich Stress abbauen.

Mehr über Autogenes Training und Entspannung:

Autogenes Training als Entspannungsmethode

Entspannung: Von passiven und aktiven Techniken

Progressive Muskelrelaxation: Die Kunst, locker zu lassen

Weitere Informationen:

Die Deutsche Gesellschaft für Ärztliche Hypnose und Autogenes Training fördert die Wissenschaft und die Therapiemethoden der Hypnose und des Autogenen Trainings:

www.dgaehat.de

Die Beschreibung der Übungen kurz erklärt:

www.psychologie-aktuell.net

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