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Ob Atemaussetzer, Schilddrüsenfehlfunktion oder Lichtmangel – ständige Müdigkeit hat viele Gründe, erklärt Jürgen Schuster im Interview mit MEINE VITALITÄT. Als Trainer und Coach für gesundheitliche Prävention hat er sich auf Schlaf und Stressbewältigung spezialisiert.

Manchmal sind wir extrem müde, obwohl wir genug geschlafen haben. Woran kann das liegen?

Jürgen Schuster: Starke Schläfrigkeit am Tag ist ein nicht zu unterschätzendes Phänomen und kann viele Gründe haben. Im Winter ist es zum Beispiel die so genannte Herbstdepression, die schläfrig macht, weil wir zu wenig Licht bekommen. Denn viele fahren in der Dämmerung zur Arbeit und abends im Dunkeln zurück und sitzen den ganzen Tag im Großraumbüro unter Neonlicht, wo sie kein richtiges Licht bekommen. So geraten die körpereigenen Botenstoffe aus dem Gleichgewicht: das Melatonin für die Nachtruhe und das Seratonin, das durch den Einfluss von Licht produziert wird und für Antrieb am Tag sorgt. Je mehr Serotonin tagsüber produziert wird, desto besser funktioniert die hormonelle Gegensteuerung nachts durch das Melatonin.

Wie lässt sich im Winter Sonne tanken, wenn gar keine da ist?

Schuster: Selbst an einem trüben Wintertag reicht das Tageslicht aus, um Serotonin auszuschütten, das wach macht. Wichtig ist Tageslicht, Kunstlicht hilft nicht, ausgenommen spezielle Lichtduschen. Diese werden auch therapeutisch u.a. gegen Depressionen eingesetzt. Gehen Sie zum Beispiel in der Mittagspause vor die Tür und verbringen Sie auch am Wochenende tagsüber viel Zeit an der frischen Luft.
Empfehlenswert ist außerdem Bewegung, denn die macht auf eine natürliche Art und Weise müde und führt zu einem tiefen, effizienten Schlaf, so dass wir tatsächlich erst abends wieder müde werden.

Hilft auch kräftig auszuschlafen?

Schuster: Ja, aber man kann natürlich Monate, die man zu wenig Schlaf hatte, nicht nachschlafen. Das funktioniert dann nur für die Tage davor.

Wie kommt es, dass sich manche sonntags den ganzen Tag schläfrig fühlen?

Schuster: Das hat oft mit Erschöpfung zu tun. Der Mensch kommt dann zur Ruhe. Lässt er das zu, kann der Körper den Stress abbauen, der sich die Woche über angestaut hat. Ein Erholungstag, an dem man die ganze Zeit müde und schläfrig ist, wenn man dem nachgeht, tut gut. Die Müdigkeit speziell am Sonntag ist aber auch eine Art Jetlag, weil der Körper durch das lange Schlafen aus dem Rhythmus kommt. Gleiches gilt für den Montag, wenn man dann wieder früh aus dem Bett muss.

Der Schlaf vor Mitternacht ist der gesündeste, heißt es oft. Stimmt das wirklich?

Schuster: Nicht ganz. Richtig ist, dass die ersten drei Stunden Schlaf die gesündesten sind. Denn da ist der Körper auf tiefen Schlaf programmiert und regeneriert deshalb am besten. Dabei ist es egal, ob Sie zum Beispiel um 22 Uhr oder erst nach Mitternacht zu Bett gehen. Erst ab drei Uhr morgens wird es schwieriger, noch ausreichend Tiefschlaf zu bekommen, da sich der Stoffwechsel umstellt.

Was für andere Gründe gibt es noch für Dauermüdigkeit?

Schuster: Ein weiterer immer häufiger auftretender Grund ist eine Schlafstörung, die wir nicht bemerken, die Schlafapnoe. Sie lässt sich meist nur im Schlaflabor feststellen. Apnoe heißt auf Griechisch Windstille. Gemeint sind damit Atemaussetzer, die besonders oft in Rückenlage auftreten. Ursache dafür ist eine Erschlaffung der Muskulatur im Rachenraum. Die Zunge fällt dabei nach hinten und verschließt den Schlund. Der Mensch hält dann knapp eine Minute die Luft an, bis der Körper Alarm schlägt und kurz aufwacht, begleitet von einem vernehmbaren Schnappen nach Luft. Der Schlaf ist dann nicht mehr erholsam, obwohl man acht Stunden im Bett gelegen hat.

Warum nimmt diese Schlafstörung zu?

Schuster: Das hängt meist mit dem Lebensstil zusammen. Hauptgründe sind zum Beispiel abendlicher Alkoholgenuss und Übergewicht, aber auch die Unterentwicklung der Halsmuskulatur. Menschen, die ein Blasinstrument wie Didgeridoo spielen, singen oder Sport treiben, sind weniger gefährdet, weil ihre Halsmuskulatur fester und straffer ist. Eine andere Krankheit, die zu Tagesmüdigkeit führt, ist eine Schilddrüsenfehlfunktion.

Von Schilddrüsenproblemen hört man oft bei Frauen.

Schuster: Das stimmt. Auch wenn Menschen eine schwierige Kindheit hatten oder traumatisiert sind, neigen sie eher dazu. Die Krankheit kann auch chronisch werden, dann gibt es Symptome sowohl für eine Schilddrüsenüberfunktion als auch -unterfunktion, Hashimoto-Thyreoiditis genannt. Überfunktion heißt oft, ich schlafe nicht durch. Unterfunktion heißt, man hat einen unnatürlich hohen Schlafbedarf und ist daher dauerhaft müde. Diese Autoimmunerkrankung haben zu 80 Prozent Frauen. Das zeigt sich dann in Schlafstörungen. Schilddrüsenprobleme lassen sich anhand eines Blutbilds und einer Ultraschalluntersuchung feststellen und medikamentös behandeln.

Warum ist gerade die Schilddrüse betroffen?

Schuster: Die Schilddrüse reagiert sehr sensibel auf Stress. Davon haben wir in unserer Gesellschaft reichlich. Laut einer aktuellen Studie der Krankenkasse DAK hat jeder zweite Berufstätige in Deutschland Schlafprobleme.

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