Im Kosmetikbereich gilt: Wo Bio drauf steht, ist noch lange nicht Bio drin. Verbraucherschützer beklagen Irreführung und Etikettenschwindel bei angeblicher Naturkosmetik.
Naturkosmetik, das klingt nach duftenden Blütenblättern und kostbaren Pflanzenölen, die liebevoll zu zarten Cremes verarbeitet werden. Dieses Bild vermitteln zumindest die Hersteller vieler Körperpflegeprodukte. Doch es ist ein Zerrbild. Bio boomt, das hat auch die Kosmetikindustrie erkannt, und sie reagiert ähnlich, wie es noch vor wenigen Jahren im Lebensmittelbereich der Fall war: „mit natürlichen Farben“, „mit naturbasierten Inhaltsstoffen“ und immer wieder „Bio“ prangt es dick und fett auf Shampoos, Duschgels, Cremetiegeln und Deosticks. Daneben finden sich meist großflächige Abbildungen von Früchten, Blüten oder Pflanzenteilen. „Das ist ganz klar Irreführung“, sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg, „dem Verbraucher soll suggeriert werden, er kaufe Naturkosmetik, aber das ist schlichtweg falsch.“ Von den abgebildeten Pflanzenteilen sind im Produkt, wenn überhaupt, meist nur verschwindend geringe Anteile enthalten. Von Bio-Qualität ganz zu schweigen.
„Zwar kann das der Verbraucher auch selbst feststellen, denn die Hersteller müssen die Inhaltsstoffe auf der Verpackung abdrucken. Die Angaben sind aber häufig auf Englisch und mit so vielen chemischen Fachbegriffen durchsetzt, dass die meisten Menschen schlicht überfordert sind.“ Mit ähnlichen Problemen hatten die Lebensmittelhersteller zu kämpfen, bevor das staatliche Bio-Siegel zum allgemein gültigen Maßstab wurde. Die Verbraucherzentralen fordern daher, auch für Kosmetikprodukte einen einheitlichen Standard mit entsprechendem Label zu schaffen. „Das wird wohl in den nächsten Jahren auch kommen, denn es wird in der EU schon seit Längerem diskutiert“, hofft Schwartau. „Es ist aus unserer Sicht unverständlich, dass die Kosmetik bislang so stiefmütterlich behandelt worden ist, schließlich verwenden wir diese Produkte täglich.“
Ein einheitliches Naturkosmetik-Label gibt es nicht
Von Herstellerseite aus ist die Einführung eines einheitlichen Naturkosmetik-Labels bislang gescheitert, weil sich die Produzenten nicht auf die Kriterien einigen konnten. „Einige verzichten beispielsweise auf Erdölprodukte, verwenden aber Konservierungsstoffe oder synthetische Duftstoffe, bei anderen ist es umgekehrt. “Jedoch gibt es Schritte in die richtige Richtung. „Die Verbraucherzentralen begrüßen die Einführung des NaTrue-Siegels“, erzählt Silke Schwartau. „Dabei handelt es sich um ein internationales Label, dessen Vergabe in Deutschland der Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel innehat.“
Drei Sterne für echte Bio-Kosmetik
Das von den Verbraucherzentralen empfohlene NaTrue-Siegel unterscheidet drei Qualitätsstufen: Ein Stern bedeutet unter anderem, dass Erdöl als Rohstoff ausgeschlossen ist und keine synthetischen Duftstoffe verwendet werden. Außerdem müssen Mindestgehalte an unveränderten Naturstoffen und Maximalgehalte an naturnahen Rohstoffen, also chemisch veränderten Naturstoffen, eingehalten werden. Zwei Sterne weisen darauf hin, dass mindestens 70 Prozent der Inhaltsstoffe aus kontrolliert biologischer Erzeugung oder kontrolliert biologischer Wildsammlung stammen, beispielsweise Bienenwachs. Diese Inhaltsstoffe entsprechen der EG-Öko-Verordnung und tragen das Bio-Siegel. Mit drei Sternen werden nur Produkte ausgezeichnet, deren pflanzliche und tierische Inhaltsstoffe zu 95 Prozent das Bio-Siegel tragen. Als Konservierungsstoffe sind bei allen Produkten so genannte naturidentische Stoffe zugelassen, also beispielsweise im Labor nachgebaute Ameisensäure, die in der Natur in diversen Insekten vorkommt. Werden solche Stoffe verwendet, müssen sie mit dem Zusatz „Konserviert mit…“ gekennzeichnet werden.
Das Drei-Sterne-System freut die Verbraucherschützer: Ein, zwei oder drei Sterne machen es dem Verbraucher leicht zwischen Naturkosmetik, Naturkosmetik mit Bioanteil und echter Biokosmetik zu unterscheiden. Dennoch ist noch viel zu tun. Silke Schwartau: „Problematisch ist nach wie vor die Kontrolle. Es werden zwar externe Unternehmen damit beauftragt, aber wirklich unabhängig könnten nur staatliche Kontrollstellen agieren.“ Ein weiteres Problem könnten allerdings auch staatliche Kontrollstellen nicht lösen: „Naturkosmetik bedeutet nicht in jedem Fall, dass sie besser verträglich ist“, stellt Silke Schwartau klar. „Auch hier kann es vorkommen, dass Verbraucher auf einzelne Inhaltsstoffe allergisch reagieren.“
Fazit: Verbraucherschützer fordern einheitliche Zertifizierungskriterien und staatliche Kontrollen für sogenannte Naturkosmetik. Orientierung bietet das NaTrue-Siegel.
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