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Die Historie des Kulturguts Schuh reicht weit zurück. Der zweite Teil der Schuhgeschichte schlägt den Bogen von standesbestimmenden Schuhen im Mittelalter, über den Boom der Industriellen Revolution, bis hin zum Gesundheitsschuh der Gegenwart.

Im ersten Teil der Schuhgeschichte ging es um archäologische Beweise für die Existenz von Schuhen vor mehr als 40.000 Jahren, bis hin zur Schuhmode der Antike. Einige Jahrhunderte schien die Schuhmode still zu stehen, bis einsetzende Völkerwanderungen im 4. Jahrhundert das Schuhwerk Mitteleuropas nachhaltig verändern sollten.

Für Prinzen 2,5 Fuß Schnabellänge, für Ritter 1,5 Fuß

Bezeichnend für das frühe Mittelalter sind Lederschuhe wendegenähter Machart. Schaft und Sohle wurden auf links zusammengenäht und anschließend auf rechts gewendet. Die empfindsamen Nähte lagen dadurch geschützt im Inneren des Schuhs. Je nach Verschlussart existierten bereits Knöpf-, Schlupf-, Schnür- und Riemenschuhe. Vornehmlich dominierten im 11. und 12. Jahrhundert kegelförmig zulaufende Schuhspitzen aus denen sich dann die berühmten Schnabelschuhe entwickeln sollten. Diese waren vorne aufgebogen und mündeten in einer feinen Spitze. Ihre Länge sagte einiges über den sozialen Stand seines Trägers aus. Fürsten und Prinzen durften 2,5 Fuß Schnabellänge tragen, Ritter hatten sich auf 1,5 Fuß zu beschränken, während den Bürgern und Bauern lediglich ein halber Fuß Schnabellänge zugestanden wurde. Die Konstruktionen der Schuhe wurden aufwendiger und boten dadurch stabileres und länger haltbares Schuhwerk. Noch heute sind Schuhe, die in der rahmengenähten Machart hergestellt werden, äußerst beliebt. Ihre Geschichte reicht zurück bis ins 15. Jahrhundert. Knapp 100 Jahre später tauchten dann Absätze in der Schuhmode auf. Die Idee stammte aus Spanien und verbreitete sich rasch über den gesamten Kontinent. Anfangs erst für Damenschuhe konzipiert, setzten sich die Absätze im 17. Jahrhundert bei beiden Geschlechtern durch. Männern wie dem extrovertierten König Ludwig XIV. verhalfen sie schlicht zu einem Zugewinn an Körpergröße und den Damen zu einem erotischeren Gang durch die nun veränderte Körperhaltung.

Industrielle Revolution bringt Massenfertigung

Für Schuhe, wie wir sie heute kennen, war das 19. Jahrhundert am bedeutendsten. Die industrielle Revolution veränderte die Gesellschaft und ihre Ansprüche. Ab 1830 setzte die Massenfertigung von Schuhen ein. Durch die Nähmaschine entstand die Schuhindustrie. Gleichzeitig wurde die Entwicklung neuer Modelle durch das Aufkommen von Modezeitschriften begünstigt. Aus einer Art Wettbewerb unter europäischen Schuhmachermeistern entwickelten sich zwischen 1880 und 1889 die klassischen Schuhmodelle, die wir noch immer im Laden finden. Auch veränderten sich die an die Schuhe gestellten Ansprüche. Die Fabrikarbeiter benötigten praktisches Schuhwerk, während sich für die wohlhabenden Damen, die zu Hause bleiben konnten, fantasievolle und verspielte Schuhmodelle entwickelt wurden. Durch die technischen Errungenschaften der industriellen Revolution wurde eine höhere und deutlich preisgünstigere Schuhproduktion als jemals zuvor erreicht. Fortschritt in Technik und Materialentwicklung beschreibt die Schuhgeschichte der Gegenwart. Wurde Leder beispielsweise in der Vergangenheit lediglich pflanzlich gegerbt und konnte nur in gewissen Maßen in seinen Eigenschaften verändert werden, eröffneten neu entwickelte Gerbverfahren, die auf Chromsalze setzten, ganz neue Dimensionen in der Herstellung von Schuhen. Ebenfalls ließ die Erfindung von thermoplastischen Gummis als auch Kunststoffen Kosten der Schuhherstellung deutlich fallen. Verklebungen ersetzen Nähte und führen dazu, dass sich Menschen nun deutlich häufiger Schuhe leisten können und müssen. Zwar sind durch dieses Verfahren Schuhe deutlich billiger im Anschaffungspreis geworden, doch liegt ihre Wertigkeit nicht mehr so hoch wie bei den klassisch vernähten Schuhen.

Sneaker treten ab 1960 weltweiten Siegeszug an

Sportschuhe, die bereits Anfang des letzten Jahrhunderts entwickelt wurden, treten ab den 1960er Jahren ihren weltweiten Siegeszug an. Ihre Bequemlichkeit und das sich stetig wandelnde Design macht die Sneaker zu den am weitest verbreiteten Freizeitschuhen der Welt. Waren Schuhe in den vergangenen Jahrhunderten oft reich verziert und definierten die Stellung seines Trägers in der Gesellschaft, dominiert im 20. Jahrhundert der schlichte und elegante Schuh die Mode. Ende letzten Jahrhunderts steht teilweise gar die Funktionalität über der Ästhetik. Gesundheitsschuhe wie von Birkenstock erobern den Markt und rücken die Gesundheit und den erhöhten Tragekomfort in den Mittelpunkt. Ötzi, der praktische Jungsteinzeitmensch, hätte über die Entwicklung des Schuhwerks in den letzten Jahrhunderten sicherlich nur den Kopf schütteln können. Für ihn waren sie Mittel zum Zweck und sicherlich hätte er sich nicht vorstellen können, dass später einmal ein moderner Ötzi im edlen Derbyschuh aus Vollleder durch die Hochhäuserschluchten der Großstadt streifen würde. Gut gekleidet und bestens geschützt vor den widrigen äußeren Umständen.

Fazit: Bereits vor 40.000 Jahren schützten Menschen ihre Füße mit Fellen und Blättern. Auch wenn Klassiker wie Derby und Oxford wohl nie aus der Mode kommen werden, die Entwicklung des Schuhs bleibt spannend.

Weitere Informationen:

Schuhgeschichte ausführlich und live gibt es im Deutschen Schuhmuseum, im pfälzischen Hauenstein, zu erleben:

www.museum-hauenstein.de

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