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Sich von einem Job, einer Beziehung oder einer schlechten Gewohnheit zu verabschieden, fällt meist verdammt schwer. Oft sind wir erst dazu bereit, wenn das Leben uns keinen anderen Ausweg mehr lässt. Regelmäßig Auszeiten nehmen kann helfen. MEINE VITALITÄT erklärt die verschiedenen Auszeit-Typen.

Erst ist es nur ein unbehagliches Gefühl abends beim Zubettgehen. Der Gedanke an den nächsten Tag drückt unangenehm auf die Stimmung. Wieder derselbe Trott, der Job, den man nicht liebt, der Alltag, der auffrisst. Sätze wie: „Wozu das alles?“, „Eigentlich möchte ich doch lieber…“ und „Wenn ich nur dies oder das hätte, würde ich endlich…“ kreisen endlos durch den Kopf, und trotzdem fehlt der Mut, zu handeln und selbstbestimmt die notwendigen Änderungen anzugehen. Stattdessen wird die Unlust schön geredet oder der Impuls mit altem Sicherheitsdenken abgeblockt. Wir wurschteln uns irgendwie durch und merken oft im Alltagsgeschehen gar nicht, wie sehr uns das eigene Leben von Außen diktiert wird. Alles ist heute dringend. Nur wir und unsere Sehnsüchte nicht.

Wer nicht wagt…

Michael Wäser, Buchautor und Unternehmer, hat gewagt, was viele vor sich herschieben. Er verbrachte als Schauspieler gut zehn Jahre auf Landes-, Staats- und Nationaltheaterbühnen. Nebenher schrieb er mit Leidenschaft Geschichten und Kurzfilm-Drehbücher. Irgendwann merkte er, dass die Schauspielerei ihm immer weniger Spaß bereitete. Die Theaterarbeit strengte ihn zunehmend an und er spürte den Drang mehr zu schreiben, statt sich auf der Bühne „abzumühen“, wie er selbst sagt. Als das Ensemble wechselte, nutzte er die Gelegenheit. Trotz finanzieller Einbußen suchte er sich kein neues Engagement, sondern nahm sich eine Auszeit. Er wurde Hausmann, kümmerte sich um seinen Sohn und schrieb nebenher Drehbücher. Rund zwei Jahre dauerte es, dann kam plötzlich eine Idee wieder hoch, die er schon einmal vor längerer Zeit hatte. Er zögerte nicht, sondern setzte sie um. 2004 eröffnete er am Berliner Kollwitzplatz seinen „Geschichtenladen“. Ein Schritt, den er nicht bereut hat, auch wenn es den Geschichtenladen heute nicht mehr gibt, weil die Erfahrung und Realität dann doch anders als die Vorstellung waren. Nun hat Michael Wäser zu dem zurückgefunden, was er eigentlich schon immer geliebt hat. Er schreibt. 2011 erscheint sein erster Roman.

Michael Wäser ist überzeugt: die Auszeiten, die er sich immer gegönnt hat, wenn die Unzufriedenheit an ihm nagte, sind der Nährboden für seinen heutigen Erfolg.

Innehalten und Bilanz ziehen

Wir alle sind Meister im Verdrängen. Kaum einer, der es sich nicht wenigstens in einem Lebensbereich in seiner eigentlich unbequemen Komfortzone kuschelig eingerichtet hat und davon träumt, wie es wohl wäre, alle Seile zu kappen und völlig neu zu beginnen oder doch wenigstens einmal für einen gewissen Zeitraum dem schnöden Alltagseinerlei zu entfliehen.

Keine Verpflichtungen, keine quengelnden Kinder, kein nörgelnder Chef. Dafür Zeit ohne Ende für all das, was in den letzten Jahren liegen geblieben ist. Zeit für sich selbst und die vielen nicht gelebten Träume. Innezuhalten und ehrlich Bilanz zu ziehen, wäre der erste Schritt in Richtung Veränderung.

Dreiviertel aller Deutschen sehnen sich nach einer Auszeit. Dahinter steckt auf den ersten Blick das Anliegen abzuschalten – meist aber weitaus mehr: Vielleicht der Wunsch nach radikaler Veränderung, nach Weiterentwicklung oder nach ausreichend Raum für innere Klarheit. Wir hoffen auf neue Impulse, auf die zündende Idee oder darauf, dass mit der Auszeit auch die Kraft kommt, endlich das zu verändern oder über Bord zu werfen, was schon lange nicht mehr zu uns passt.

Auszeit planen

Zu einer richtigen Auszeit gehört vor allem eines: viel Mut. Mut, unseren Weg und uns selbst in Frage zu stellen, Mut, uns abzugrenzen, Mut, uns durchzusetzen und Mut, den Blick nach innen zu richten. Auszeiten müssen nicht zwangsweise eine komplette Neuorientierung wie im Fall von Renate Finckbein sein. Sie beendete bewusst eine gesicherte berufliche Existenz. Als Lehrerin an einer Hauptschule in einem sozialen Brennpunkt Berlins hat Renate Finckbein über 20 Dienstjahre Kinder meist nicht deutscher Herkunft unterrichtet. Sie liebte ihren Job, war engagiert. Zu engagiert, würde sie heute sagen. Ihr Einsatz überstieg das normale Maß. Fortbildungen in den Ferien, Zusatzausbildungen an den Wochenenden, der Aufbau und die Leitung einer Streitschlichtergruppe – so viel Eifer strengt an und wird auch nicht von allen gern gesehen. So fühlte sie sich mehr und mehr fremdbestimmt, irgendwann funktionierte sie nur noch. Erste gesundheitliche Symptome traten auf. Schlafstörungen, Rückenbeschwerden, später ein Tinnitus und eine Facialis Parese. Rechtzeitig zieht Renate Finckbein die Notbremse und steigt aus dem Schuldienst aus, gönnt sich eine längere Auszeit, klärt in vielen Gesprächen für sich, wie sie in diesen Teufelskreis geraten ist, wie sie zukünftig arbeiten möchte, was ihr wichtig ist. Heute unterstützt sie als Coach Menschen, die in der gleichen Falle stecken wie sie damals. Ihr Fazit: „Wenn ich mir vorher schon die Zeit genommen hätte, richtig hinzuschauen, wäre so manches anders gelaufen. Aber wer will denn schon als Versager dastehen?“

Welcher Auszeittyp bin ich?

Die Varianten, wie eine Auszeit gestaltet werden kann, sind so vielfältig, wie das Leben selbst. Mehr Zeit für seine Kinder zu haben, von einem Jahresurlaub in der Karibik oder einem Segeltörn quer über alle Weltmeere zu träumen oder sich nach der Abgeschiedenheit eines Klosters zu sehnen – letztendlich ist das Ursprungsbedürfnis entscheidend.

Entsprechend lassen sich fünf Auszeit-Typen erkennen:

  • Regenerationsauszeit
  • Familienauszeit
  • Auszeit für berufliche Weiterentwicklung
  • Auszeit zur Neuorientierung
  • Auszeit für Eigenprojekte

Wichtige Fragen vorher klären

Wenn Sie schon soweit sind, dass Sie sich klar darüber sind, dass Sie eine Auszeit brauchen, klären Sie folgende Fragen:

  • Was motiviert mich? Was ist mein Hauptanliegen?
  • Wie unbeschwert oder belastet ist meine berufliche und private Situation?
  • Wie möchte ich meine Auszeit gestalten?
  • Wo liegen meine Neigungen und vernachlässigten Bedürfnisse?
  • Welchen Zeitraum soll die Auszeit umfassen?
  • Kostenaufstellung (Fixkosten, Auszeit-Kosten und ein Posten für Unvorhersehbares)
  • Mit wem muss ich meine Auszeit-Pläne im privaten und oder beruflichen Umfeld abstimmen?

Auch wenn wir es meist nicht wahrnehmen – das Leben lädt uns oft genug dazu ein, einen Mini-Ausstieg zu wagen. Unser Körper gibt eindeutige Signale, wenn es Zeit ist, mit der Arbeit aufzuhören und eine Pause einzulegen. Schaffen Sie dafür Raum! Nehmen Sie sich bewusst aus der Hektik heraus, atmen Sie durch und sagen Sie innerlich „Stopp“.
Business- und Karrierecoach Wulf-Peter Paezold, selbst ein Aus- und Umsteiger, rät seinen Kunden zu Kurzauszeiten. „Sich zwei bis drei Tage freizuschaufeln und mit einem Coach seiner Wahl das Leben zu entrümpeln, kann Wunder wirken.“

Fazit: Nehmen Sie sich wichtig. Es ist Ihr Leben und es ist nicht unendlich.

Weitere Informationen:

Hier lässt sich der passende Coach finden:

www.coach-datenbank.de

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