Ich bin dann mal weg! Viele träumen davon, den Berufsalltag für einige Zeit hinter sich zu lassen. Christian Müller und Carsten Alex haben sich getraut und erzählen, wie sich die großen Ferien richtig angehen lassen.
Am besten hat es Christian Müller* in den Rocky Mountains Kanadas gefallen, aber auch das Tauchen mit Delfinen in Französisch-Polynesien ist ihm in guter Erinnerung. Drei Monate nahm sich der 31-jährige Berliner im vergangenen Jahr Zeit für eine Weltreise – im Gepäck bis auf das Around the World-Ticket nur das Allernötigste. „Ich war mit Rucksack unterwegs, nicht mit Koffer“, betont Müller. Nicht nur das war eine neue Erfahrung für den Manager: „Sonst hatte ich im Urlaub immer das Gefühl, erreichbar sein zu müssen, aber während meiner dreimonatigen Auszeit habe ich wirklich richtig abgeschaltet.“ Das wurde aber auch Zeit: Sieben Jahre lang hat Müller hart gearbeitet. Nach Berufsakademie-Studium und Trainee-Programm ging es die Karriereleiter schnell weiter nach oben: mit 24 Jahren Assistent der Geschäftsleitung, mit 26 Teamleiter plus Personalverantwortung. Zusätzlich zu seinem Fulltime-Job absolvierte er außerdem ein Executive MBA-Programm an der European School of Management and Technology in Berlin. Im Anschluss daran war er reif für eine Auszeit.
Sich befristet aus dem Alltag zurückziehen
Für Carsten Alex sind Sabbaticals die Zukunft. „So wie es früher normal war, auf Kur zu gehen, sollte es künftig zum festen Bestandteil einer Lebens- und Karriereplanung gehören, sich befristet aus dem Alltag zurückzuziehen, um seine Akkus wieder aufzuladen“, sagt der Jobcoach. Als Chef würde er dies von seinen Mitarbeitern sogar verlangen und sie alle zwei Jahre mindestens drei Monate freistellen. Zwei Sabbaticals liegen bereits hinter dem ehemaligen Manager. Das erste Mal verabschiedete er sich vor zehn Jahren für 20 Monate, vier Jahre später gönnte sich der 45-jährige Berliner eine zweite Auszeit, um seine Erfahrungen zu Papier zu bringen und einen eigenen Verlag zu gründen.
Das Interesse an Sabbaticals ist gewachsen, beobachtet Alex, nicht zuletzt auch, weil es Prominente vorgemacht haben, etwa Harald Schmidt, der ein Jahr um die Welt gereist ist. Dabei sind es nicht nur V.I.P.s oder gestresste Manager, die sich eine Auszeit wünschen. Auch Angestellte, die im Dauerstress mit erhöhtem Blutdruck oder Schlafstörungen zu kämpfen haben, aber auch Kurzarbeiter und Arbeitslose lassen sich von Carsten Alex beraten – und immer mehr Führungskräfte.
Sabbaticals werden salonfähig
Gerade in puncto flexible Arbeitszeitmodelle engagieren sich Firmen neuerdings deutlich stärker, wie der aktuelle „Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2010″ zeigt. In der repräsentativen Befragung vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Auftrag des Bundesfamilienministeriums gaben 16 Prozent der befragten Unternehmen an, Sabbaticals als familienfreundliche Maßnahme anzubieten – ein Plus von 12 Prozent gegenüber 2003. Noch besser schneiden die so genannten „Top-Arbeitgeber“ ab, die das Forschungsinstitut Corporate Research Foundation (CRF) jedes Jahr für deren Arbeits- und Karrierebedingungen auszeichnet. Demnach bieten dieses Jahr 60 Prozent der 93 Top-Arbeitgeber Deutschlands Sabbaticals an. Vor zwei Jahren lag ihr Anteil dagegen erst bei 44 Prozent. „Die Möglichkeit, eine längere Auszeit vom Berufsleben zu nehmen, um persönliche Vorhaben wie längere Auslandsaufenthalte zu realisieren und den eigenen Erfahrungshorizont zu erweitern, ist insbesondere für jüngere Mitarbeiter von Bedeutung. Das wird zukünftig noch zunehmen“, sagt Gitta Hassenbürger von CRF.
Was aus den aktuellen Zahlen allerdings nicht hervorgeht, ist die tatsächliche Nutzung. „Wir sind eine Angst-Gesellschaft“, konstatiert Carsten Alex. Viele trauten sich nicht – aus Angst, den Anschluss zu verpassen. Doch auch den Vorgesetzten selber mangele es oft an Mut, sich selbst oder den Mitarbeitern ein Sabbatical zu erlauben. Verpflichtet sind sie dazu gesetzlich nicht. Wichtig sei daher, den Chef zu überzeugen, dass auch das Unternehmen etwas davon hat.
Mehr Leistung durch Auszeit
Auch Christian Müller musste zunächst Überzeugungsarbeit leisten. Gerade im beruflichen Umfeld erntete der Manager mit seinen Plänen viel Nasenrümpfen, wie er berichtet: „Einige rieten mir ab, weil es in Deutschland noch nicht so üblich ist.“ Es gab aber auch Anerkennung für seinen Mut. „Meine Vorgesetzten hat das Argument überzeugt, dass ich während der Auszeit Kraft tanken und mich danach mit frischer Energie neuen Aufgaben widmen kann“. Wichtig sei auch gewesen, dass seine Kollegen die Entscheidung mittragen. So erklärte sich ein Kollege bereit, ihn während seiner Abwesenheit zu vertreten – zusätzlich zu seinen eigentlichen Aufgaben. Müllers Stelle wurde freigehalten. Er nahm sich unbezahlten „Sonderurlaub“ und lebte während der Auszeit von seinem Ersparten.
Eine weitere Möglichkeit ist, die Auszeit in einem Teilzeitvertrag zu regeln: zum Beispiel die Hälfte der Zeit voll zu arbeiten und sich die andere Hälfte frei zu nehmen, bei durchgehend 50 Prozent des Gehalts. Drei Monate empfiehlt Carsten Alex mindestens für ein Sabbatical: „Das ist eine gute Zeit, um zu entschleunigen und die Dinge laufen zu lassen.“ Von einer vollgestopften Reiseroute rät er ab: „Lassen Sie sich auf das Hier und Jetzt ein und geben Sie dem Zufall eine Chance!“ Ein Grund, warum Müller sein Diensthandy in Berlin ließ. „Versuchen Sie sich komplett zurückzuziehen“, rät Alex, „Jedes Telefonat mit der Heimat bringt die aktuellen Sorgen zu Hause wieder auf den Tisch.“
Die Dinge nicht mehr so verbissen sehen
Auch sollte am Ende genügend Zeit bleiben, die gesammelten Eindrücke zu reflektieren. „Manche kommen wieder, haben viel gesehen von der Welt und wundern sich dann, dass es danach genauso weiter geht wie vorher“, gibt Auszeit-Experte Alex zu Bedenken. Probleme löse das Sabbatical nicht von selbst, es biete allenfalls Zeit, darüber nachzudenken. Christian Müller hatte das Arbeitsleben recht schnell wieder. Trotzdem ist ihm ein Stück Gelassenheit geblieben: „Wenn es hektisch wird, sehe ich die Dinge jetzt nicht mehr so verbissen.“
Oftmals sind es die Erinnerungen, die die „Aussteiger auf Zeit“ durchs Leben tragen. Auch Carsten Alex zehrt noch immer von seiner Auszeit: „Anker ist für mich mein Rucksack, der im Flur steht. Er zeigt mir, mit wie wenig ich ausgekommen bin.“ Auch Christian Müller denkt oft an seine Weltreise. Ein zweites Sabbatical steht vorerst aber nicht an.
Fazit: Sabbaticals bieten die Möglichkeit, inne zu halten und Abstand zu gewinnnen. Davon profitieren Sie persönlich – und auf lange Sicht auch beruflich.
Weitere Informationen:
Viele hilfreiche Tipps zum Thema Sabbatical gibt Carsten Alex in seinem Buch: „Auszeit als Chance. Mit Sabbatical der Karriere auf die Sprünge helfen“ (Signum, 19,95 Euro)
Besuchen Sie auch seine Website:www.menschen mitwirkung.de
Für alle, die es in die Ferne zieht, empfiehlt sich Jeannette Zeuners: „Abenteuer Weltreise – Erfüll dir deinen Traum!“ (Books on Demand, 21,90)
* Name von der Redaktion geändert