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Die Klingel an der Tür des Geschäfts läutet beim Öffnen die Stille ein, die kurz darauf folgen wird. Eine angenehme Stille, verbunden mit beruhigenden, sanft fließenden Bewegungen – denen einer japanischen Teezeremonie. Mitten in Berlin.

MEINE VITALITÄT ist zu Gast bei Tan Kutay, seit vielen Jahren Teehändler und fast genauso lange mit der Tradition der japanischen Teezeremonie nach Ueda Sôko Ryû-Tradition verbunden. „Die japanische Teezeremonie ist ein Aspekt meines beruflichen Werdegangs“, erklärt Tan Kutay, dessen Name türkischer Herkunft ist und so viel bedeutet wie Morgendämmerung oder Zwielicht.

Japan mitten in Berlin

In Kutays kleinem Teeladen in der Crellestraße verströmen die Inhalte der großen Porzellantröge, die in den Wandregalen stehen, unzählige Düfte, die in der Nase kitzeln und neugierig machen. Sie enthalten ausgesuchte Teesorten aus Japan und China, von denen wir eine bei der Teezeremonie gleich probieren werden.

Der Boden des kleinen Ladens ist für den Anlass mit Tatamis ausgelegt – Matten aus Reisstroh, die in Japan als Fußboden in traditionell gestalteten Zimmern verwendet werden. Auf diesen lassen wir uns nieder. In der Mitte befindet sich der Kama – ein Kessel, in dem das Wasser erhitzt wird. Dahinter nimmt Tan Kutay Platz und erklärt die Teezeremonie. Er spricht japanisch und fasst das Gesagte anschließend auf Deutsch zusammen.

Die Vielfalt der Zeremonien

Tan Kutay zeigt eine Winterzeremonie. Es gibt viele verschiedene Anlässe, die ihre ganz eigene Zeremonie haben. Sie unterscheiden sich in den Details: im Aufbau der Gerätschaften, im Blumenschmuck, in der Position des Frischwasserkessels (Mizusashi), der verwendeten Teeschale (Chawan) und vielen weiteren. „Die Teezeremonie geht mit der Jahreszeit, sie ist ein Spiegel der Zeit, sie ist gleichzeitig aber auch zeitlos“, sagt Tan Kutay. So verändert der Heißwasserkessel mit dem Lauf der Jahreszeiten seinen Platz im Teeraum. Zum Winter hin rückt er immer näher an den Gast heran.

Akkurate Bewegungen der Stille

Wir haben es vor dem Kama schön warm, aber das ungewohnte Sitzen auf den Knien, das bei einer japanischen Teezeremonie üblich ist, ist auf Dauer schmerzhaft. Zum Glück dürfen wir es uns bequem machen – Sinn des Besuches ist schließlich das Eintauchen in die Stille, der Genuss des Tees, das Erleben der „ästhetischen Struktur“ der Teezeremonie, wie Tan Kutay es nennt. Gedanken an schmerzende Knie sind hier fehl am Platz.

Schon beginnt der Teemeister mit der Zubereitung. Die Abläufe sind auch bei der zweiten Schale Tee genau wie beim ersten Mal. Alle Bewegungen sind im Regelwerk festgelegt und werden von Meister zu Schüler und von Generation zu Generation überliefert. Vom Greifen der Teedose (Taikai) bis hin zum Herausholen des Teepulvers mit dem Bambus-Teelöffel (Chasaku) oder dem Säubern der Trinkschale mit einem Tuch – keine Bewegung geschieht willkürlich, sie alle haben eine Bedeutung. So wird immer ein Teil des Wassers, das mit einer schlichten Schöpfkelle aus Bambus (Hishaku) dem Kama entnommen wird, nach dem Aufgießen des Tees in den Kama zurück gegeben: Wer etwas nimmt, muss auch immer etwas zurück geben.

Die Aufgabe des Gastes

Nicht nur der Gastgeber, auch der Gast hat bei einer japanischen Teezeremonie feste Aufgaben. So muss der Hauptgast entscheiden, ob noch eine Schale getrunken wird, er darf als erster die Süßigkeit kosten, die zum Tee gereicht wird, und er beginnt nach der Teezeremonie höflich, die Gerätschaften zu bewundern, die der Gastgeber bei der Zubereitung verwendet hat. Ein Zeichen von Höflichkeit, Dankbarkeit und Respekt gegenüber dem Gastgeber. Der Hauptgast spricht außerdem für alle, ob der Tee geschmeckt hat. Gesprochen wird während einer Teezeremonie übrigens ausschließlich über den Tee, die Zubereitung und die Gerätschaften. Diese Konzentration auf ein Thema dient dazu, die Alltagsgedanken abzulegen und die Schönheit der Zeremonie genießen zu können.

Der Usucha-Tee der Zeremonie

Tan Kutay bereitet bei unserer japanischen Teezeremonien einen Usucha-Tee, einen geschäumten Tee, zu. Das Teepulver wird hierbei mit Hilfe des Teebesens (Chasen) aufgeschäumt. Das Ergebnis ist ein kräftiger, aber weicher Tee mit intensivem Geschmack. Nicht zu vergleichen mit losem oder Beuteltee. „Wir trinken das Teepulver, genannt Matcha: Ikuyo-no mukashi“, erläutert Tan Kutay. „Das Besondere an diesem Tee ist, dass für seine Produktion nur die erlesensten Teegrade verwendet werden. Er hat eine sämige Präsenz, seine Süße ist vergleichbar mit Zartbitterschokolade“.

Und tatsächlich, dieser Matcha-Tee kommt an nichts heran, was wir bisher an Teesorten kennengelernt haben. Er ist fest und stark, aber gleichzeitig sanft und wärmend. Seine Wirkung ist anregend, denn er enthält viel Koffein. „Der Anteil im Matcha ist der höchste im Vergleich zu allen anderen Teeverarbeitungen“, erklärt Tan. „Neben der anregenden Wirkung werden ihm weitere positive Effekte auf Körper und Geist zugesprochen, zum Beispiel der Schutz vor Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“.

Nach etwa zwei Stunden verlassen wir entspannt und frisch den Berliner Teeladen „Teefeinkost Tan“, der nächste Besuch einer japanischen – oder chinesischen – Teezeremonie wird sicher nicht lange auf sich warten lassen.

Fazit: Eine japanische Teezeremonie ist ein ganz besonderes Erlebnis, auf das sich der Gast einlassen können muss. Die Ruhe, die während einer solchen Zeremonie einkehrt, gleicht einer Meditation. Das Beobachten der akkuraten Bewegungen und der Genuss des warmen Tees lassen den Alltag vergessen. Wer einmal für eine Stunde völlig abschalten will, für den ist eine japanische Teezeremonie genau das Richtige.

Weitere Informationen:

Alle Infos über die Teezeremonie und japanischen Tee von Tan Kutay:

http://www.tee-feinkost-tan.de/

Alles über die Teeschule „Ueda Sôko Ryû“ und deren Geschichte:

www.teezeremonie-zen.de

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