©iStock/xavierarnau
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CrossFit. Mal wieder so ein neuer Fitness-Hype aus den USA. Die US-Marines trainieren nach diesem Prinzip. Außerdem soll dieses Workout selbst die härtesten Kerle in die Knie zwingen. Schön. Und was sollte das Ganze jetzt mit mir zu tun haben? Richtig. Ausgerechnet ich sollte den Kram testen. Seh mich also schon in meinem pinken Snoopy-T-Shirt in einer Halle stehen wie ich mich anbrüllen lasse. Wo ich sportliche Herausforderungen ja so liebe. Nicht.

„CrossFit-Trainierende rennen, rudern, springen Seil, klettern Seile hoch und tragen ungewöhnliche Gegenstände. Sie bewegen rasch große Lasten über größere Entfernungen und setzen Kraftdreikampf- sowie Gewichthebertechniken ein. Weiter verwenden sie Hanteln, Gymnastikringe, Klimmzugstangen, Kettlebells und viele Eigengewichtübungen.“ (Quelle Wikipedia)

Aha. Klingt… anstrengend. Ziemlich anstrengend. Ich hatte im Vorfeld überhaupt keine Ahnung, was ich mir da aufgehalst hatte und was ich mir genau unter CrossFit vorstellen sollte. Was das ist, wer das macht und warum man das macht. Ich hielt es nur für schlauer, mich im Vorfeld nicht großartig darüber zu informieren. Sonst wäre ich bestimmt ganz plötzlich krank geworden. Aber zu wissen, dass es sich bei diesem Training um das härteste Workout der Welt handelte, genügte mir vollkommen aus. Was ich aber außerdem wusste, war, dass man dafür Sportklamotten brauchen würde. Einen Abend vor meinem Personal-Training habe ich mir also meine Sportkleidung rausgesucht: Wenn ich schon nicht durch sportliche Leistung glänzen kann, dann doch wenigstens durch ein süßes Outfit.

Mittwochmorgen war es dann soweit. Ich machte mich frohen Mutes auf den Weg zum CrossFit Werk Berlin und somit zur Box. CrossFitter bezeichnen den Kerker – wie ich ihn liebevoll nenne – in der das Training stattfindet, als Box. Als erstes kam mein Bus nicht. Habe das ja direkt als Zeichen gewertet und innerlich gehofft, meine Trainerin Inga Tiedmers schmeißt mich postwendend wieder raus. Hat sie aber nicht. War total fröhlich und hatte Verständnis für meinen verpassten Bus. Verdammt.

„Ich hab mir was schönes für dich ausgedacht!“ – „Wir lassen das mit dem Training und gehen frühstücken?“ – „Nein.“

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase, in der Inga mir erklärte, wie alles abläuft, durfte ich mir noch eine Playlist für die nächsten 60 Minuten raussuchen. Könnte ja doch ganz angenehm werden – mit Musik ist sowieso alles besser. Taylor Swift durfte ich trotzdem nicht anmachen. Hip Hop dafür aber schon. Wir fingen mit einem lockeren Warm-Up und mit Leg Swings nach vorne und zur Seite an (das bedeutet, die Beine hin- und herzuschwingen).

Anschließend folgten Push Ups, Lunges (Ausfallschritte) und Air Squats (Kniebeugen) – angepasst an mein persönliches Leistungsniveau. Immer in der Wiederholung von 5-10-15. Die Zeit wurde auf 5 Minuten eingestellt. Dann musste ich dieses Programm so oft durchführen, wie ich physisch dazu in der Lage war. Das nennt sich dann AMRAP (as many repetitions as possible, zu deutsch: so viele Wiederholungen wie möglich). Inga trieb mich an und ich versuchte, so schnell wie möglich alles zu erledigen. Kurz vor Ablauf der Zeit versuchte ich noch einmal alles aus mir rauszuholen. Ich war total erledigt. „Super! Gut gemacht! Dann können wir ja jetzt anfangen!“ Wie bitte?! Wir können JETZT anfangen? Das ist doch wohl ein schlechter Scherz? Eigentlich hab ich mich bereits unter der Dusche gesehen.

Aber nach der Erwärmung kommen im CrossFit Werk Berlin noch die Kraftübungen. Der Körper wird mit minimalem Zeitaufwand also maximal gefordert. Obwohl die Aussage „minimal“ auch Ansichtssache ist. Kreuzheben – sogenannte Deadlifts – standen anschließend auf dem Programm. 3 mal 5 Wiederholungen mit jeweils 30 Kilo. Ich wusste vorher nicht mal, was Deadlifts sein sollen. Klingen aber auch nicht so spaßig. Könnte am „Dead“ liegen. Aber wenn ich jetzt schon mal hier bin, zieh ich das Ding eben auch durch. Man will ja schließlich kein Weichei sein.

„Alles ok Kim? Schaffst du das noch?“ – „Klar! Locker!“ Genau. L-O-C-K-E-R. Ich hätte schwören können, dass ich bisher zwei Mal kurz davor war, ohnmächtig zu werden. Während Inga mich so drillt und anschreit, überlege ich, dass 25-30 Jahre für einen Mord eigentlich gar nicht so viel sind. In so ’ner Zelle hat man wenigstens seine Ruhe.

Geh zum CrossFit, haben sie gesagt. Macht Spaß, haben sie gesagt.

Nach den Gewichten folgte dann der Ausdauer-Teil. Kann es kaum erwarten. Bei meinem ersten Ausdauer-Training gestaltete sich der Ablauf wie folgt: sechs Mal „1-Arm Dumbbell Deadlift“ (Kurzhantel vom Boden bis zur Hüfte hochziehen), sechs Mal „1-Arm Dumbbell ground to overhead“ (Kurzhantel mit gestrecktem Arm vom Boden bis über den Kopf bringen) und sechs Mal „1-Arm overhead Lunges“ (Kurzhantel über dem Kopf mit gestrecktem Arm hochhalten und parallel Ausfallschritte machen).

Der ganze Spaß wird mit einer Hantel durchgeführt, die auf die eigenen persönlichen und physischen Kapazitäten ausgerichtet ist. Ich hatte nach einer 500 Gramm-Hantel gefragt, bekam dann eine mit 7,5 Kilo. Mir hört auch einfach keiner zu.

Innerhalb von zehn Minuten musste ich dieses Hantel-Programm sechs Mal durchführen. Das war echt hart und hat mich einiges an Luftreserven gekostet. Aber: Ich war schneller als vermutet fertig. Ha! Weil tief in mir drinnen – vergraben unter den ganzen Schokobons und Weinschorlen – nämlich ein kleiner Sportfuchs schlummert. Ich bin schließlich die Tochter meines Vaters, der früher – weit über die regionalen Grenzen unseres kleinen Dorfes hinaus – für seine fußballerischen Höchstleistungen bekannt war.

Der Rest des Trainings verlief dann relativ unspektakulär. Ich durfte an Ringen turnen und musste noch einmal kurz die Zähne zusammenbeißen, um das Training vernünftig zu beenden. Zu guter Letzt folgte das Stretching, was aber nach den Strapazen der vergangenen Stunde wirklich leicht zu ertragen war. Danach war ich durch. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich war froh, erleichtert und ja, irgendwie auch ein bisschen stolz. Ich habe durchgehalten. Und wenn das jemand schafft, der sich die Zeit, die er benötigt, um zum Sportstudio zu kommen, normalerweise schon auf sein sportliches Leistungs-Netto-Konto anrechnet, kann das wirklich jeder. Ich halte es ja schließlich schon für Sport, wenn ich mal die Treppe anstatt den Aufzug benutze.

Zehn Minuten nach unserem Training saß ich einfach nur da, schnappte nach Luft, ließ alles auf mich wirken, unterhielt mich mit anderen CrossFittern und leerte meine Wasserflasche in schnellen Zügen.

Ich mag nicht. Ich will nicht. Ich kann nicht… Mehr.

Ich verabschiedete mich von Inga und machte mich auf den Weg nach Hause. Auf der kurzen Strecke zur Bushaltestelle merkte ich bereits, wie meine Beine nicht mehr so richtig mitmachen wollten. Sie zitterten in einer Tour – ich schlich auch nur noch langsam vor mich hin. Meine Knie knickten irgendwie immer wieder weg. Ich ertappte mich dabei, wie ich mich umsah und nach Möglichkeiten suchte, um mich unterwegs abstützen zu können. Eigentlich müsste es nach dem ersten CrossFit-Training einen Fahrdienst geben, der einen zur Apotheke, zum Unfallchirurgen und schlussendlich noch kurz zu McDrive fährt. Aber auf sowas kommt ja immer niemand.

Irgendwie schaffte ich es dann nach Hause. Ich kann mich aber nur noch schleierhaft an alles erinnern. Zu Hause angekommen, hielt ich es auch für schlauer, den Rest des Tages – gemeinsam mit meiner entspannenden Muskelcreme – daheim zu bleiben.

Am zweiten Tag ging der Spaß dann aber erst so richtig los: Ich konnte keine Treppen mehr laufen, beim Hinsetzen hatte ich auch enorme Schwierigkeiten und der Besuch der Toilette war nur noch mit fremder Hilfe möglich. Kann mir quasi auf diese Art schon mal anschauen, wie ich mich so in 50 Jahren fühlen und fortbewegen werde. Sowas sollten die mal in die Info-Broschüren schreiben!

Mir tat einfach alles weh. Nach meiner Knieverletzung im Mai und meiner Sprunggelenkprellung im Juni hat sich mein Körper auch richtig gefreut, dass er endlich mal wieder nur eingeschränkt bewegungsfähig ist. Inga hatte mir die Techniken zwar vorher genau erklärt und mich zudem gewarnt, es nicht zu übertreiben, aber wenn man sich auf so ein Training einlässt, dann, weil man es will und parallel alles aus sich rausholen möchte. Sonst wäre ich ja zum Hallen-Jo-Jo und nicht zum CrossFit gegangen. Ich wollte es ja nicht anders. Mein Körper denkt sich wahrscheinlich trotzdem langsam, die Alte hat ’nen Knall. Was soll denn als nächstes kommen? Cage fights?!

Um euch das mal kurz vernünftig zu visualisieren, wie ich (auch noch drei Tage!) nach dem Training draußen rumgelaufen bin: gar nicht. Ich bin GAR nicht gelaufen, sondern gekrochen. Ich bin die Treppenstufen der U-Bahn-Treppe seitwärts runtergelaufen. SEITWÄRTS. Eine gute Freundin, die im vierten Stock ohne Aufzug wohnt, konnte ich gar nicht besuchen. Sie musste runterkommen und wir haben uns draußen auf eine Bank gesetzt. Ich hätte es nicht geschafft, so viele Treppenstufen zu gehen. 
Dieser Zustand, in welchem ich das Gefühl hatte, in dem Körper einer alten Frau zu stecken, trug auf jeden Fall zur allgemeinen Erheiterung und Belustigung meiner Freunde bei. Sollte mir bei Gelegenheit also dringend neue Freunde suchen.

Ich habe Muskelkater an Stellen, an denen ich ich nicht mal wusste, dass ich dort Muskeln besitze

Ich meine, es war mir ja klar, dass ich nach diesem Workout ein bisschen Ruhe und Erholung brauchen würde. Aber das ist einfach mal knallhart untertrieben. Was ich nach diesem Workout wirklich gebraucht hätte, wäre ’ne Delphin-Therapie gewesen.

Wisst ihr: Ich hatte mich auf Seilspringen gefreut. Auf so ein bisschen turnen und hüpfen. Vielleicht auch auf die ein oder andere Hantel. Dass ich beim CrossFit nicht ’ne halbe Stunde auf dem Stepper stehen und nebenbei die InTouch lesen kann, hatte ich ja vermutet. Aber dieses Training war einfach das krasseste, was ich bisher machen durfte.

60 Minuten lang habe ich echt gekämpft. Ich habe nach dem Training meinen ganzen Körper gespürt, hatte blaue Flecken an den Knien und den Muskelkater meines Lebens. Ich habe tagelang Magnesium-Tabletten geschluckt, entspannende Muskelcreme auf meine Oberschenkel aufgetragen und mich für meinen sportlichen Ehrgeiz verflucht.

Aber – und jetzt kommt’s – ich hatte, sportlich gesehen, den Spaß meines Lebens. Nach diesem Workout habe ich mich so gut gefühlt, wie noch nie zuvor nach einem Training. Und auch während der Stunde mit Inga hatte ich ziemlich viel Spaß. Die ganze Atmosphäre im CrossFit Werk Berlin hat mir gefallen. Sogar Tage nach unserem Personal-Training hat Inga sich noch bei mir nach meinem Gesundheitszustand erkundigt. Man fühlt sich ab dem ersten Tag verstanden, ernst genommen und als Teil einer Gemeinschaft. Die Trainer suchen dein persönliches Potenzial, kitzeln es heraus und fördern dieses dann. Auch, wenn man noch ganz am Anfang steht und nur so „kleine Babyhanteln“ heben kann.

Ich gebe es an dieser Stelle jetzt also einfach mal zu: CrossFit ist großartig. CrossFit macht Spaß und bringt dich an deine Grenzen – die ich generell ganz gerne mal austeste. Egal, ob du ein totaler Fitness-Freak oder eher ein Chill-Chick bist wie ich.

Fazit: Ich kann CrossFit wirklich nur jedem ans Herz legen, der mal so richtig Sport machen möchte. Man kämpft, man schwitzt und man fragt sich, was der ganze Scheiß hier überhaupt soll. Aber das Gefühl, welches man nach so einem Workout hat, ist einfach unbeschreiblich. Also Leute, worauf wartet ihr noch?! Sucht euch den Kerker eures Vertrauens und los geht’s!

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